Das Innenleben der Bauernhöfe

Bäuerliche Tradition, 25.02.2021

Spitzendeckerl, geschnitzte Herzen, karierte Vorhänge und liebevoll platzierte Details: So idyllisch stellt man sich heute die Inneneinrichtung eines Bauernhofs vor. 

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Lehrerwohnung - Weinviertler Museumsdorf | © Weinviertler Museumsdorf Niedersulz

Die Romantik kam später

Spitzendeckerl, geschnitzte Herzen, karierte Vorhänge und liebevoll platzierte Details: So idyllisch stellt man sich heute die Inneneinrichtung eines Bauernhofs vor. Auf die Bauernhöfe von heute trifft dies auch durchaus zu – viele Bäuerinnen widmen sich mit großer Hingabe der Innengestaltung ihrer Häuser. Doch viele hübsche Dekorationselemente des gemütlichen Landhausstils (und das gilt für alle anderen innenarchitektonischen Strömungen) waren in früheren Zeiten nichts anderes als Nutzgegenstände einer eher ungemütlichen Realität. „Ästhetik war bis Mitte des 19. Jahrhunderts kein Kriterium“, sagt die Volkskundlerin Mag. Monika Brunner-Gaurek, die im Salzburger Freilichtmuseum Großgmain als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist.

Das bestätigt auch die wissenschaftliche Leiterin vom Weinviertler Museumsdorf Niedersulz, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta. „Der pragmatische Zweck stand immer an erster Stelle. Aber es war den Menschen auch wichtig, es unter den gegebenen Umständen so schön wie möglich zu haben. So ging die Entwicklung von Nutzen und Ästhetik Hand in Hand. Die Adeligen und wohlhabenden Leute hatten Ölbilder, das wurde dann eben so gut wie möglich nachgeahmt.“ Die Geschichte der Schlafzimmerbilder wie Herz-Jesu- und Herz-Maria-Bildern und der „Taubenmadonna“ kann man 2021 in einer Sonderausstellung im Museumsdorf Niedersulz gut nachverfolgen.

Fotos: Herz-Jesu und Herz-Maria-Bilder wurden immer zusammen aufgehängt, meist über dem Ehebett.

Von der Rauchstube zur Rauchküche

Von der Rauchstube zur Rauchküche

„Von Idylle keine Spur, ein Bauernleben in den Bergen war hart“, erzählt Monika Brunner-Gaurek. Konnten sich die Bauern noch so recht und schlecht durchs Jahr bringen, immer abhängig von der Lage des Hofs und Witterung, so war das Dasein für das Personal – Knechte und Mägde – umso härter. Es gab keine Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung. Wer nicht mehr arbeiten konnte, war auf die Barmherzigkeit der Besitzenden angewiesen.

Dunkle Zeiten waren das, auch durchaus im wörtlichen Sinn. In den alpinen Regionen war über Jahrhunderte der zentrale Raum im Haus die Rauchstube.

Das ganze Leben der Bauersfamilie und des Gesindes spielte sich in diesem einem Raum ab. Hier war das offene Feuer, hier wurde gekocht und gegessen. Ein Rauchabzug über der Tür funktionierte recht und schlecht, der große Kupferkessel diente gleichermaßen zum Kochen von Rüben und zum Auskochen der Wäsche. Die Salzburger Volkskundlerin: „Bis weit ins 19. Jahrhundert hatte man auf den Bauernhöfen im alpinen Bereich kleine Lukenfenster, welche mit einem Holzschuber verschlossen werden konnten.

Glas war bis ins 18. Jahrhundert am Land nur schwer zugänglich, deshalb behalfen sich die Leute mit Schweinsblasen. Die dämmten allerdings kaum die Wärme und ließen nur wenig Licht herein. Zudem färbte der Rauch in der Stube sowieso alles schwarz.“ Der Aufklärer Erzbischof Hieronymus Colloredo (1732-1812) erkannte die schädigenden Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, und er verhängte in seiner Eigenschaft als Fürst ein Verbot der Rauchstuben. So entwickelte sich die Rauchküche, in der das offene Feuer loderte und die rauchfreie Stube, deren Stubenofen meist vom Flur aus beheizt wurde. Beides, Küche und Stube, entwickelten sich unterschiedlich weiter.

Die Bauernküche im Wandel der Zeit

Das offene Feuer wich dem Herd. „Die ersten Sesselherde waren fix vermauert und oft gekachelt, hatten anfangs ein Wasserschiff, eine Warmhalteröhre und eine Herdplatte“, schildert Monika Brunner-Gaurek. „Was uns heute so selbstverständlich erscheint, war damals eine gewaltige Innovation: Der Herd vereinigte Koch- und Wärmefunktion. Später wurden Herde aus Gußeisen hergestellt, die man einfach an den Kamin anschließen konnte.“

Die Schlafkammern von einst

Können sich die Gäste von Urlaub am Bauernhof heute in Zirbenbetten, feinsten Matratzen und duftigem Bettzeug erholen, so war das in früheren Zeiten freilich ganz anders. Die Bauern selbst schliefen direkt über dem Ofen und konnten sich oft mittels eines verschließbaren Loches etwas Wärme ins Zimmer heraufholen. Für das Gesinde gab es unbeheizte Dienstbotenkammern. Schmale Betten waren das – wenn nicht überhaupt nur ein Strohlager. In den Kammern schliefen mehrere Leute auf engem Raum, außerdem bewahrten sie hier ihren Besitz auf – und das war nicht viel: Meist hatten sie eine Truhe für ihr Hab und Gut, mit der sie auch von einem zum anderen Arbeitsplatz weiterziehen konnten. „In der Kammer gab es einen Kasten, eine Kommode, einen Waschtisch. Und natürlich, neben dem Bett das wichtigste Utensil überhaupt: der Nachttopf. Man muss bedenken, dass es ja kein elektrisches Licht gab und die Toilette – das Plumpsklo – war im Freien. Es war finster und kalt. Ein Nachttopf war kostbar! Heute können wir uns gar nicht mehr vorstellen, so zu leben wie die Menschen damals“, sagt die Wissenschaftlerin. Umso wichtiger sind die Freilichtmuseen, in denen vergangene Realitäten detailgetreu rekonstruiert werden.

„Es war alles sehr schlicht“, sagt Brunner-Gaurek. Natürlich gab es bei reicheren Bauern bemalte Bauernkästen oder auch Betten. Lange Zeit wurden nur diese von den Volkskunstmuseen gesammelt, was ein falsches Bild der Vergangenheit überlieferte.

Einlieger und Ausgedinge

Waren die Schlafkammern karg, so stand den am Bauernhof arbeitenden Mägden und Knechten die eigene Bettstatt immerhin zu. Schlimmer dran waren die Alten.

Mittellose, nicht mehr arbeitsfähige Dienstboten lebten in Einliegerkammern. Die Schlafplätze wurden von den Gemeinden zugeteilt, die Menschen mussten oft von einem zum anderen Hof weiterziehen. „Sie waren die Ärmsten der Armen: Lästige Esser, verlaust, ungewollt. Da gab es viel Leid“, schildert Monika Brunner-Gaurek. „Natürlich gab es immer auch solche, die auf ihrem Hof, auf dem sie ihr Leben lang gedient hatten, bleiben durften.“

Tatsächlich wurden auch die Altbauern „ausgelagert“. Nachdem eine Hofübergabe vertraglich bis ins Detail geregelt worden war, zogen die „Alten“ in die sogenannte Austragsstube. In manchen Regionen bauten reichere Bauern ab dem 18. Jahrhundert auch eigene Austragshäuser. „Das waren oft Miniaturen vom großen Bauernhof. Wenn sie es sich leisten konnten, hatten sie eine Kuh, zwei Ziegen und Gemüse für den Eigenbedarf“, sagt die Volkskundlerin aus Salzburg.

„Das war im heutigen niederösterreichischen Weinviertel und dem Nordburgenland nicht anders, nur hieß es bei uns das Ausgedinge oder die Ausnahm“, sagt Veronika Plöckinger-Walenta. „Ein oder zwei Stuben für die Alten oder ein kleines Häuschen mit dem Notwendigsten – und ein großer Gemüsegarten zur Selbstversorgung.“

Auch in der Gegenwart leben und arbeiten auf den Bauernhöfen oft mehrere Generationen unter einem Dach. Mag das auch nicht immer konfliktfrei ablaufen, so sehen viele Familien im Zusammenleben der Generationen heute auch ihre Vorteile. Gerade in der Vermietung werden das Wissen und die Mithilfe der älteren Generation hochgeschätzt. „Unsere Oma backt mit den Gästen Brot, der Opa fährt mit ihnen auf die Alm …“, hört man von vielen UaB-Vermietern. Heute ist das Zusammenleben allerdings freiwillig, man kann sich die Aufgabenbereiche aufteilen. Und es gibt mehr als eine Stube für alle. Das war nicht immer so.

Die Möbel

Die Wohnstube auf einem alpinen Bauernhof bestand früher aus einem Stubentisch mit einer umlaufenden Bank, welche fix an den beiden Außenseiten montiert war. Dazu zwei Schemel – fertig war die Einrichtung. Spinnrad, vielleicht ein Klöppelkissen und im 20. Jahrhundert auch schon eine Nähmaschine wurden ebenfalls in der Stube aufbewahrt. Glücklich sind heute alle Bauern, die noch ein altes Spinnrad oder eine Nähmaschine ihrer Ahnen aufbewahrt haben. Als Dekorationsobjekte sind diese alten Geräte wunderschön anzuschauen. Manchmal werden sie kunstvoll restauriert und wieder eingesetzt – weil man heute eben den Wert von Selbstgemachtem schätzt.

Ein besonderes Zeichen religiöser Frömmigkeit war der Herrgottswinkel in der Ecke über dem Stubentisch. Er fehlte in katholisch geprägten Regionen in keiner Stube. Im Zentrum stand ein Holzkreuz mit oder ohne Korpus. Auf einem bestickten Deckerl standen Heiligen- oder Marienstatuen oder auch Heiligenbilder und Blumenschmuck zierten den Herrgottswinkel. Meist neben der Stubentüre befand sich ein Weihbrunnenkessel, um sich beim Heraus- oder Hereingehen zu bekreuzigen.

Boden und Wände

Bis ins 19. Jahrhundert waren in den alpinen Regionen die Wände der Bauernhäuser dunkel, denn die Häuser waren im Blockbau errichtet. Man begann in dieser Zeit die Wände zu verputzen und jährlich mit Kalk zu weißeln. Was zuerst nur zur Desinfektion geschah, wurde allmählich auch zur Mode, denn weiße Räume galten als sauberer und moderner.

„Im Weinviertel und im Nordburgenland gab es vor allem Lehmbauten“, erklärt Veronika Plöckinger-Walenta. „Man sagte damals: Ein Lehmhaus braucht einen guten Hut und gute Stiefel – also ein gutes Dach und ein solides Fundament, das vor Schlagwasser und Regen schützt. Das Weißigen der Außen- und Innenwände mit Kalk hatte also auch im Flachland einen besonderen Nutzen, der Schutz der Fassade. Meist machte man das vor Ostern oder Fronleichnam, damit das Haus für die Prozession besonders schön war.“

Das typische Weinviertler Kleinbauernhaus von früher kann man heute im Museumsdorf Niedersulz bestaunen. Die weißen Fassaden sind im unteren Viertel dunkelgrau: der Kalk wurde mit Rebasche vermengt, dadurch erwärmt sich der Sockel durch die Sonnenstrahlen, was das Trocknen unterstützt.

Fleckerteppiche und schlichte Vorhänge komplettierten die Ausstattung eines alpinen Bauernhauses. Anfang des 19. Jahrhunderts begann man mittels Schablonenmalerei kleine Bordüren auf die Wände zu malen. Später wurden mithilfe von Walzen (Walzenmalerei) die ganzen Wände mit Mustern verziert.

„Die Schlafräume wurden in kühleren Farben, Stube, Küche und Speis in wärmeren Farben ausgemalt."

„Als wir 2018 die Rainerkeusche* ins Museum transloziert haben, war die letzte Besitzerin eine wichtige Gewährsperson. Durch den Putzrestaurator kam die Schablonenmalerei zum Vorschein. Plötzlich erinnerte sie sich: ‚Die Schablonen hab i als klans Dirndl halten müssen und gar nicht mehr dran gedacht!‘ – Das war schon sehr berührend“, erinnert sich Monika Brunner-Gaurek.

*Die „Rainerkeusche“ ist das älteste Wohngebäude im Salzburger Freilichtmuseum. Das Gebäude stammt aus dem fünfzehnten Jahrhundert, wurde 2017/18 abgetragen und im Freilichtmuseum Salzburg wieder aufgebaut. 

Verstärktes Bewusstsein für Nachhaltigkeit

„Durch den Tourismus rückten ästhetische Komponenten in den Vordergrund“, resümiert die Expertin aus Salzburg. Heute verdanken wir es einem verstärkten Bewusstsein für Nachhaltigkeit, dass auch „alte“ Gebrauchsgegenstände und Arbeitstechniken – auf moderne Weise verbessert – wieder zum Einsatz kommen. So kann es durchaus sein, dass auf dem Spinnrad der Uroma gearbeitet wird oder ein neuer Brotbackofen nach alter Bauweise wieder in Einsatz kommt.

Herzlichen Dank an Mag. Monika Brunner-Gaurek und Dr. Veronika Plöckinger-Walenta für die wissenschaftliche Beratung, das aufwändige Korrekturlesen und das gelegentliche Richtigstellen allzu salopper Formulierungen!