Der Bauerngarten - Teil IV

12.03.2021

„Mein Garten ist mein Paradies“, sagt Karin Schabus vom Biohof Seidl in Bad Kleinkirchheim stolz. Die Bäuerin stammt ursprünglich aus Niederösterreich, wo ganz andere klimatische Verhältnisse herrschen als in den Kärntner Nockbergen auf 1.100 m Höhe. „Aber ich probier‘ seit 30 Jahren vieles aus und pflege meinen Garten mit so viel Liebe. Es ist auch schon eine Menge gelungen, und das macht mir richtig Freude!“

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Garten eines Vierkantzers aus Oberrösterreich in Stübing | © Österreichisches Freilichtmuseum/UMJ

Liebevoller Garten für alle(s)

Am Biohof Seidl ist eigentlich alles Garten, denn die Beerensträucher und Spalierobstbäume zum Naschen finden sich überall – auch an den Hauswänden und beim Stall. Und natürlich gibt es am Seidlhof einen großen Hausgarten, in dem Karin Schabus das Gemüse für die Vorratshaltung anbaut. „Damit komm‘ ich das ganze Jahr für meine Familie aus.“ Zwischen den Kohlköpfen und den Kürbissen sprießen am Biohof Seidl immer bunte Blumen, denn „Farben bereichern das Leben“, sagt die Urlaub am Bauernhof-Vermieterin. „Deshalb mische ich auch immer bunte Blüten in den Salat. Für mich ist ein Garten ohne Blumen wie ein Herz ohne Liebe. Jeder Gast wird mit einem Blumenstrauß in der Ferienwohnung willkommen geheißen, und unser Frühstücksbuffet wird natürlich durch die absolute Frische unserer Kräuter, Früchte und Gemüsesorten aus dem Garten bereichert.“

Der Bauerngarten am Seidlhof beherbergt ein Frühbeet, in dem das junge Gemüse herangezogen wird. „Ich überlege immer sehr genau vor dem Anpflanzen, welche Pflanzengemeinschaften zusammenpassen. Es ist schließlich wie bei den Menschen: Manche können nicht miteinander. Das muss ich berücksichtigen. Als Bio-Bäuerin sind mir die Fruchtfolge und die Pflanzgemeinschaften besonders wichtig.“

Unmittelbar neben der Küche – „mit den Schlapfen erreichbar!“ – liegt der Kräutergarten. Hier gedeihen nicht nur verschiedene Teekräuter, sondern auch alle Gewürze, die Karin Schabus fürs tägliche Kochen braucht: „Früher hab‘ ich alles angebaut, was Rang und Namen hat, aber das habe ich mir abgewöhnt. Man muss nicht jedem Trend folgen. Was und gut tut und uns schmeckt, ist geblieben.“

Die Nähe zur Küche ist übrigens ein wichtiger Faktor, denn Zeit muss auf dem Bauernhof gut eingeteilt werden.

Der Klostergarten

Schon fast immer holten sich die Menschen die Kräuter direkt aus der Natur. Man verwendete Pflanzen für alles Mögliche: zum Färben, zum Aufrauen von Stoffen (Disteln), zum Genuss und als Medizin. Bereits zur Römerzeit legten die Menschen Gärten an, und als Karl der Große (748-814) die Klöster aufforderte, neben dem Gebet auch das Gärtnern zu kultivieren, war die Geburtsstunde der Klostergärten. Dank der Möglichkeit, die Erfahrungen aufzuzeichnen, erweiterten sich die Kenntnisse über die Wirksamkeit und Verwendungsmöglichkeiten der Pflanzen und konnten an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. Oft wurden die Klostergärten unterteilt und die Pflanzen wurden je nach ihrem Verwendungszweck im Obstgarten, Küchengarten oder Heilgarten gezogen. Das Wissen der Klostergärtner war enorm. Auch die Bauern – sofern sie nicht in den abgelegenen Regionen des Landes lebten – profitierten davon.

Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen

Medizinische Versorgung war in früheren Zeiten nicht nur teuer, sondern oft auch schwer zugänglich. Aus diesem Grund hielt man sich auf dem Land an die Volksmedizin. Der Bauerndoktor oder das Kräuterweibl standen Mensch und Vieh heilend zur Seite und wurden in Naturalien entlohnt. Vor allem in den alpinen Regionen waren viele Bauernhöfe auf die eigene Apotheke vor der Haustür angewiesen. Das Wissen über die Verwendbarkeit der Pflanzen wurde meist durch die Frauen bewahrt und von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Vieles, was die Menschen damals wussten, war erstaunlich fundiert und hat heute noch Gültigkeit; anderes entsprach mehr dem Aberglauben – etwa, wenn man im Mittelalter die Hauswurz als Schutz vor Blitzschlag auf die Dächer setzte.

Die Benediktiner-Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) fügte in zahlreichen Schriften das wissenschaftliche mit dem volksmedizinischen Wissen zusammen. Sie erstellte nicht nur detaillierten Pflanzenbeschreibungen, sondern entwarf auch Ideen zur ganzheitlichen Ernährung.

Der Bauerngarten

Natürlich wurden in den Gärten anfangs nur regionalen Pflanzen gezogen. Viele der Blumen, ohne die der heutige Bauerngarten nicht vorstellbar ist (etwa Sonnenblume, Herbstaster oder Kapuzinerkresse) kamen ursprünglich aus exotischen Ländern und hielten erst spät Einzug in die Gärten. Überhaupt wurden erst ab dem 16. Jahrhundert Blumen angebaut – man verwendete sie vor allem als Kirchenschmuck.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Bauerngärten auch gar nichts Romantisches an sich. Sie dienten einzig dem Zweck der Selbstversorgung. Man baute im Frühling an, erntete im Sommer und Herbst und hoffte, dass die Vorräte über den Winter reichten. Man baute an, was haltbar war und dem Klima standhielt: In den meisten Gegenden waren das Wurzelgemüse und Kräuter. Letztere nützte man zur Geschmacksverbesserung beim Kochen (Gewürzkräuter), als Desinfektionsmittel, zur Konservierung und schließlich auch als Heilpflanzen (Apotheke Gottes). Für Tinkturen wurden die Kräuter im Mörser zerstoßen und für Salben dann noch mit Fett oder Bienenwachs vermengt. Kultiviert wurden aber nur jene Pflanzen, die sich auch bewährten.

„Eine Lungauer Bäuerin erzählte mir, dass sie bis in die 1960er Jahre sehr viel Liebstöckl angebaut hatte. Das verwendete die ganze Familie als Zusatz fürs Baden im Holzschaff. So hatte wohl jeder seine Vorlieben“, erzählt Mag. Monika Brunner-Gaurek vom Salzburger Freilichtmuseum Großgmain.

In der Neuzeit hielt „exotisches“ Gemüse wie Kartoffeln oder Kürbisse Einzug in die heimischen Gärten. Man zog Kartoffeln, Kraut, Rüben oder Bohnen aber nicht im Bauerngarten, sondern auf Feldern, weil man sie in großen Mengen brauchte um über den Winter zu kommen.

Ab dem 18. Jahrhundert erweiterte sich das Spektrum auch noch um Tomaten und Zucchini, die aber vorerst nur dem gehobenen Bürgertum zugänglich waren.

Mitte des 19. Jahrhunderts entstand schließlich, ausgehend von der Heimatschutzbewegung, das Idyll vom Bauerngarten. Auch der Tourismus trug vielerorts dazu bei, dass Gärten mit Glaskugeln oder Keramikfiguren dekoriert und zum Mittelding aus Zier- und Nutzgarten wurden.

Perfektion ist überbewertet

„Ich gebe mein Bestes, aber mein Garten ist trotzdem nicht perfekt“, sagt Biobäuerin Karin Schabus nachdenklich. „Doch das hat auch seine Vorteile. Bei mir darf halt auch was von selber wachsen. Da kommen dann plötzlich Ringelblumen, Kornblumen, Kamille und vieles andere hervor. Immer wieder stelle ich fest, dass genau jene Pflanzen von selber aufgehen, die wir Menschen gerade dringend brauchen. Wer exakt Unkraut jätet – ich nenne das ja Beikräuter, hat das nicht.“

Schade wäre es um jede einzelne Ringelblume, denn diese Pflanzen sind nicht nur hübsch anzusehen, sondern auch wahre Alleskönner. Als entzündungshemmende Heilpflanze hat die Ringelblume eine lange Tradition. Am Biohof Seidl freut man sich auf jeden wild aufgehenden Spross, und die Bäuerin zeigt den Urlaubsgästen gern, wie Öle und Salben angesetzt werden.

Karin Schabus ist im Einklang mit der Natur: „Wenn ich ka Zeit hab zum Ernten, haben eben die Vogerl was davon. Mein Garten soll ja auch eine gute Nahrungsquelle für die Natur rundherum sein. Deshalb hab‘ ich auch rund um den Bauerngarten heimische Gehölze gesetzt. So bleibt die Tiervielfalt erhalten.“

Die Gäste am Biohof Seidl schätzen diesen bewussten Umgang mit der Natur. Und andren Bäuerinnen lässt Frau Schabus Folgendes ausrichten: „Tuats net nur arbeiten, sondern suchts euch ein Platzerl am Hof, wo ihr euch mit dem Kaffeehäferl hinsetzt und genießts auch euren Garten. Und freuts euch an der Vielfalt, die uns die Natur da schenkt!“

Danke für die historische Beratung durch Mag. Monika Brunner-Gaurek (Salzburger Freilichtmuseum) und Mag. Michaela Steinböck-Köhler (Freilichtmuseum Stübing, Kuratorin der Ausstellung (Allerley Hausmittel“).

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