#WieWirLeben: Weißt du eigentlich, wie schön es hier ist
Manchmal muss man der eigenen Heimat den Rücken kehren, um Jahre später mit Dankbarkeit und Demut zu den Wurzeln zurückzufinden. Doris und Ernst Winkler fanden ihren Weg in die Heimat wieder und darin ihr Lebenswerk: Den Traubenhof Winkler.
Beide, Doris und Ernst Winkler, wuchsen in Niederhollabrunn auf und lernten einander inmitten des Weinviertels kennen und lieben. Beide entschlossen damals einhellig, den Geburtsort hinter sich zu lassen und das gemeinsame Glück in der Stadt Wien zu suchen. Wo sie es beide auch fanden. Für den Augenblick zumindest.
Der berufliche Alltag, die private Freizeit, alles war ganz dem Stadtleben angepasst, beide genossen dessen Vorzüge, bauten ein Haus, zogen drei Kinder groß, führten ein erfülltes Familienleben. Und dennoch schlummerte in Ernst eine alte Sehnsucht, welche sich, während er wochentags durch die Rush Hour hetzte und abends den Verkehrslärm nicht ausblenden konnte, immer beharrlicher zu Wort meldete. Bis es eines Tages über ihn hereinbrach und er seiner Frau gestand: Die Heimat ruft. Und der Ruf war so laut, dass er ihm folgte.
Hobbywinzer "in the making"
Im Jahr 2003 begann Ernst hobbymäßig damit, in seiner Heimat einen alten Weinstock zu bewirtschaften. Anfangs von Freunden und Bekannten belächelt, waren diese nach der ersten Weinlese positiv erstaunt über das Ergebnis. Doch so nebenbei einen Weingarten zu betreuen, war nicht einfach und nachdem man ein paar Jahre mehr oder weniger erfolgreich herumexperimentierte, stellten sich Doris und Ernst 2010 die entscheidende Frage: Machen wir das nun g’scheit oder hauen wir den Hut drauf? Der Wein siegte. Dem alten Auszugshaus der Großmutter von Ernst wollte man ohnedies schon längst eine neue Aufgabe zuführen. Gesagt, getan. Der große Umbau konnte starten. Was einst mit vier Zeilen „G’mischter Satz“ begann, darf heute als erfolgreicher Familienbetrieb mit Buschenschenke, Hofladen, Zimmervermietung und Weinanbau brillieren. Doris, anfangs zwar von der plötzlichen Idee ihres Mannes überrascht, zweifelte indes keine Sekunde am Gelingen und bereut den Schritt in keinster Weise.
Im Gegenteil: „Die Arbeit mit der Natur ist faszinierend. Man muss sich nach deren Uhr richten. Früher kümmerte es mich wenig, ob es regnete oder nicht, heute wandert mein Blick unzählige Male am Tag gen Himmel.“ Und rundherum. Denn auch Freizeitsportler können die Natur nicht in dem Ausmaß wahrnehmen, wie es jemand tut, der in und mit ihr das ganze Jahr hindurch arbeitet. „Der Klang der Vögel zu den verschiedensten Tageszeiten, die Arbeit im Winter, der Geruch, die Landschaft. Es gibt keinen Moment, wo ich in unserem Weingarten stehe und die Arbeit gestresst verrichten muss. Ich kann immer wieder bewusst innehalten und alles auf mich wirken lassen.“ Ein Gefühl, das im alten Bürojob keinen Platz hatte. Während dieser Tätigkeiten im Weingarten fielen ihr immer wieder die Wanderer auf, die mit ihren schweren Rucksäcken die Feldwege beschritten.
Allen gemein das eine Ziel: Santiago de Compostela. „Durch unsere Reben führt der Weinviertler Jakobsweg. Die Pilger haben uns letztlich dazu inspiriert, die Buschenschenke mit unseren drei Gästezimmern ins Leben zu rufen.“ Die Zimmer von Ernsts Großmutter wurden liebevoll renoviert, eine Verbindung zwischen alt und neu geschaffen.
Damals, heute, morgen
Der Weingarten wuchs stetig auf fast zwei Hektar und die Angebote sind mittlerweile selbstredend, wie Doris stolz erzählt: „Unser Grüner Veltliner darf die Bezeichnung DAC führen, ein österreichisches Siegel für Qualitätswein. Zudem bauen wir Tafeltrauben in neun verschiedenen Sorten an, welche sich großer Beliebtheit erfreuen.“ Die Speisekarte unterteilt sich angebotsmäßig in „wie damals“, „wie heute“ und „wie morgen“. Kindheitserinnerungen werden da mit einem Bratlfettnbrot geweckt, für moderne Gaumenfreuden sorgen der Veggiewrap oder die Kräuterei mit essbaren Blüten, Feta im Ringelblumenkleid und verschiedene Käsesorten.
Die Kräuter spielen im Traubengarten von Doris und Ernst eine große Rolle: „Ich kombiniere alles, was bei uns wächst uns essbar ist mit den Trauben.“ Da darf es gerne mal ein Sirup aus Trauben, Zitronenmelisse und wildem Salbei sein: „Die Gäste sind immer wieder überrascht, welche Pflanzen verarbeitet werden können und welche Früchte sich wie verbinden lassen.“ Im Hofladen findet man die ganze Pracht an Ideen: Wein, Liköre, Marmeladen, Fruchtsäfte, Chutneys stehen zum Verkauf, verkostet werden darf nach Herzenslust.
Wenn man den Weg in die Heimat somit wieder erfolgreich beschritten hat, welche Wege hält dann die Zukunft bereit? „Unser Bestreben liegt in der Qualität“, sind sich beide einig. „Jeder Gast soll sich hier wohlfühlen und seine Zeit genießen können. Wir wollen Bewusstsein schaffen, den Menschen wegführen von dem industriellen Geschmack hin zu wertvollen regionalen Produkten. Dafür legen wir uns jeden Tag aufs Neue ins Zeug.“ Und die Gäste danken es. „Manch einer setzt sich vor der Abreise noch in den Traubengarten und lässt die Natur ein letztes Mal ganz bewusst auf sich wirken. Da braucht es keine großen Worte der Dankbarkeit. Diese kann man den Menschen in solchen Momenten am Gesichtsausdruck ablesen. Das hat einen unbezahlbaren, glücksbringenden Wert.“ Letztlich wohl für beide.