Die Welt im Dorf
Gertraud Unger ist glücklich. Obwohl sie eigentlich nie Bäuerin werden wollte, kann sich die gelernte Bankkauffrau heute „keinen schöneren Platz vorstellen“, als am Oberdürnberg bei Seekirchen am Wallersee, der seit 33 Jahren ihr Zuhause ist. Der Vollerwerbsbetrieb geizt nicht mit Freiraum und bietet Fülle an Aktivitäten für mietwohnungsmüde Stadtfamilien.
Tausche Bankschalter gegen Kuhstall. Das ist kein Motto für ein neues Format im österreichischen Privatfernsehen. Und so hat es sich ja eigentlich auch gar nicht zugetragen. Gertraud Unger wollte aus einem einzigen Grund nie Bäuerin werden. Der wache Kinderverstand sieht, wenn die Eltern schwer arbeiten und wenig freie Zeit für die Familie bleibt. „Wenn man am Hof aufwächst, will man ja nicht unbedingt gleich Bäuerin werden“, blickt sie heute zurück. „Die Vorteile wurden mir erst viel später bewusst“, sagt Gertraud mit zufriedener Stimme, während sie in der Sitzecke ihres Auszughauses sitzt. Der Oberdürnberg-Hof ist zwar noch nicht offiziell übergeben, aber in zwei, drei Jahren ist die Zeit reif. Sohn und Schwiegertochter sind schon bestens in alle Abläufe integriert, vier Generationen helfen mit, um allen ein gutes Leben zu ermöglichen. Zukunft gesichert. Das ist gut so, denn in der Umgebung hat eh schon jeder zweite Landwirt „den Schlüssel umgedreht“. Die Geschichte des Bauernsterbens ist nämlich keine böse Antithese zu den knuddeligen Werbespots (mit dem sprechenden Schweinchen und seinem Bauern), die mit viel Landlust aufgeladenen Bildern den Bauernstand ordentlich weichspülen. Nein, es passiert jeden Tag, auch im Salzburger Land. Aber nicht am Oberdürnberg.
„Da war Weihnachten eigentlich gar nichts dagegen.“
Gertraud ist selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, nur fünf Kilometer vom Oberdürnberg entfernt und nicht weniger schön gelegen. Damals gab es noch viel mehr Kontakt zu den Gästen, da man ja selbst im Sommer – wie im Alpenraum üblich – aus den eigenen Zimmern raus musste, um Wohnraum an Urlauber vermieten zu können. Eine Kluft zwischen Stadt- und Landbevölkerung war stets spürbar, hatten die Stadtmenschen doch schönere Kleider und die neueste Technik, wie z.B. Videokameras. Im Flachgauer Dorf eine Sensation. „Es dauerte dann immer ein paar Jahre, bis diese Entwicklungen auch zu uns aufs Land kamen“, erzählt Gertraud von früher. Die Gäste gaben ihrerseits aber auch wieder sehr viel zurück und zwar mittels üppiger Geschenke, die sie übers Jahr an die Gastgeberfamilien schickten. Sogar für Hund und Katze wurde was eingepackt. Schön, wie stark das Band zwischen Gast und Gastgeber werden kann. Die klassische Stammgastfamilie gibt es zwar noch, ist aber nicht mehr die Regel. Immer noch entstehen unter den Kindern die schnellsten Freundschaften. Ganz gleich welche Nationalität, zwischen Hasen, Katzen, Pony und Traktor sind alle gleich. So kommt es nicht selten vor, dass Gästekinder auch noch daheim von „ihrer“ Laura sprechen. Laura, das Hofpony, hängt als Kinderzeichnung vermutlich über vielen Stockbetten. Daheim in einer Welt ohne Tiere, Stallgeruch und endlose Wiesen. Dagegen ist sogar das modernste Hotel-Kinderland machtlos.
„Wenn ich mit den Leuten am Hof spreche, weiss ich, in welchem Land ich bin.“
Freiheit und Wertevermittlung, darin sieht Gertraud Unger die Unverwechselbarkeit eines Hofurlaubs. Und diese Vermittlung, so meint sie, ginge nur als Vollerwerbsbetrieb. Ein paar Kühe als Landschaftsdekoration reichen da nicht. „Bei uns gibt es täglich den Tag der offenen Stalltüre“, erklärt die umtriebige Bäuerin den Umstand, dass 365 Tage im Jahr immer ein Familienmitglied in und um den Stall anzutreffen ist. Ihre Gäste legen Wert auf den Blick hinter die Kulissen, möchten den einerseits wohl selbst gerne erleben und auch den Kindern zeigen, wo die Milch herkommt und was dafür alles getan werden muss. Ob das zu mehr Bewusstsein bei den (zukünftigen) Konsumenten führt? Gertraud ist fest davon überzeugt. Da fährt sprichwörtlich der Traktor drüber.
Alternativ offeriert der Hof am Oberdürnberg ausreichend Gelegenheiten den Urlaubstag aktiv oder relaxed zu gestalten. Und sollte es hier einmal (länger) regnen, dann ist die nur elf Kilometer entfernte Kulturhauptstadt Westösterreichs ein starker Magnet. Der Stadt Salzburg ist es auch zu verdanken, dass Gäste aus Kapstadt, Sydney, Oklahoma oder Japan den Weg nach Schöngumprechting gefunden haben. „Wir kommen eh nirgends hin,“, erklärt Gertraud die gar nicht traurige Tatsache, dass Urlaub für sie und ihren Mann fast ein Fremdwort ist, „aber die Welt kommt zu uns“.