#WieWirLeben: Die Erbgut-Beschützer vom Auszeit-Hof
Ja, Angelina Pucher lebt seit September 1998 am malerischen Sturm-Archehof am Fuße des Großglockners und wusste schon im Alter von 3 Jahren, dass sie mal Bäuerin werden will. Und den Opa heiraten. Anstatt des Opas wurde es doch der Hubert aus dem benachbarten Großkirchheim. Die anschließende Suche der beiden nicht gelernten Landwirte nach dem geeigneten Standort, um dort fortan den gemeinsamen Traum leben zu können, dauerte immerhin 7 Jahre und führte sie bis in letzte Winkel der Steiermark und Kärnten. Fest steht, die vegetarische Metzgerstochter aus Baden-Württemberg hat einen sehr bewegten Lebenslauf. Ziemlich formatsprengend sogar.
Vermietet werden die 8 Betten, am besten als generationentaugliche Gesamt-Ferienwohnung (ohne Fernseher), erst seit Weihnachten 2015, gleichfalls haucht in Teilen dieser Oberkärntner Baukultur sogar noch der Geist des 17. Jahrhunderts. Und hier leben Angelina und Hubert ihren Traum vom Bauer-Sein. Lauscht man der Liebesgeschichte der beiden, die sich auf der Kröll-Alm im Mölltal kennen und lieben lernten und der fünf Kinder entsprangen, dann wäre allein das bereits zu viel Stoff für jede Rosamunde Pilcher Verfilmung. So intim möchte ich hier und jetzt aber gar nicht werden. Privatsache. „Der Hof soll ein Aufenthaltsort für Menschen sein, die fürs Krankenhaus zu gesund, für den Alltag aber zu krank sind“, erzählt mir Angelina und ich erkenne darin, ohne es mit der Bäuerin näher abhandeln zu müssen, die Daseinsberechtigung ihres Tuns. Mein Gott, wie wenige Menschen, Unternehmen und Projekte gibt es denn heutzutage, die ihr „Warum“ wirklich beantworten können? Die Puchers haben und leben eine Mission und die geht mir runter wie Öl.
„Spiritueller Weg zur Selbstheilung“
Es gab aber nicht immer nur Sonnenschein im Leben von Angelina. Ohne den Anspruch chronologischer Korrektheit anmelden zu wollen, lebensprägende Ereignisse wie Magersucht, Bulimie, Depressionen, ein einjähriger Krankenhausaufenthalt sowie Therapie formten aus Angelina eine sehr starke Frau, die ihre Wurzeln nun tief in den Heiligenbluter Boden wachsen lässt und mit klarer, sanfter Stimme spricht. Die Kraft zum Weitermachen schöpfte Angelina auch während der schweren Zeit der Hungerkrankheit aus dem Gedanken und der tiefen Sehnsucht, noch ein Mal auf die Alm zurückzukehren, wo sie die schönsten Sommer ihrer Kindheit verbringen durfte. Dort oben im Damals, bei der „Burgstaller-Mutter“, hoch über Mörtschach im Nationalpark Hohe Tauern. Schön, dass ihr das gelungen ist. Und noch viel, viel mehr. Neben dem Studium der Medizin und Psychologie absolviert Angelina Pucher auch eine Ausbildung zur Tanztherapeutin und legt damit ein vielversprechendes Fundament für die Zukunft und das Gute, das noch kommen wird. Sie hat schon ein Bild vom „Auszeit-Hof“, dem analogen, naturnahen Kraft-Refugium des einfachen Lebens. Sinnstiftend. Ein Sehnsuchtsort im Schnellalltag der Städter? Slowtravel, Slowlife, sofern man Anglizismen mag. Das kann und wird klappen, weil sie fest davon überzeugt ist. Die Gesellschaft wird Bedarf schaffen.
„Arche-Hof: Zucht- und Präsentationsstätte alter und in ihrem Bestand gefährdeter Nutztierrassen.“
Auch die kleinen Rückschläge des bäuerlichen Alltags kann die gelernte Einzelhandelskauffrau mittlerweile gut wegstecken. Viel Lehrgeld hätten sie beide als Quereinsteiger in die Landwirtschaft bezahlt. Manches lässt sich nicht vermeiden, wie dem Instinkt eines raubenden Fuchses Herr zu werden, der jedes Jahr irgendwie einen Weg in den Stall zu den Hühnern und Puten findet. Aber das ist so. Im Kreislauf der Natur. Nehmen und Geben. Ansonsten funktioniert der Hof im Dreiklang. Hubert bestückt die Knopfmacherstube, Angelina verkauft dort neben der Arbeit am Hof auch ihre Bücher und Fotografien, die Oma strickt und bastelt. Einen Online-Shop gibt es natürlich nicht. Wer Handgemachtes erwerben will, muss schon nach Winkl (Anmerkung: Ortsteil von Heiligenblut) kommen. Vertrieb ist nicht alles. Die Puchers orchestrieren hier ein Kollektiv von Mehr-als-nur-Bio-Landwirtschaft und bieten ihren Gästen, ohne es ausdrücklich sagen oder aktiv bewerben zu müssen, ein Stück Heimat. Das gute Leben. Einen offenen Hof, der darüber hinaus auch einigen bedrohten Haustierrassen wie der Cröllwitzer Pute, der Tauernschecken-Ziege oder dem Tiroler Grauvieh ein würdiges Leben bietet. Ein Hoch auf alle Arche-Höfe. Hüter des kostbaren Erbguts und Bewahrer lebendiger Kulturgeschichte. Danke.