Vom Bergbauernkind zum Superstar
Was haben der Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, Josef Aschbacher, Olympiasieger Franz Klammer und Schlagerstar Melissa Naschenweng gemeinsam? Sie alle sind auf einem Bergbauernhof aufgewachsen. Das einfache Leben mit der Natur, den Tieren am Hof und der harten Arbeit bei jedem Wetter, prägte sie fürs Leben. Wahrscheinlich machte die Erdung Höhenflüge möglich. Denn alle drei machten auf ihre Art Spitzenkarriere.
Vom Bergbauernhof ins All
Vom Bauernhof direkt ins All katapultierte es den Bergbauernsohn Josef Aschbacher (62). Er war der älteste Sohn von sechs Kindern. Daher auch auserkoren, den elterlichen Bergbauernhof in Ellmau in Tirol zu übernehmen. Schon als kleiner Bub fiel er durch seinen Wissensdurst auf, er wollte lieber lesen, als beim Stallausmisten zu helfen. Der 20. Juli 1969 war eine Zäsur in seinem jungen Leben. Er saß vor einem krächzenden Fernseher und vor ihm landete die Raumkapsel Apollo 11 am Mond und Neil Armstrong betrat als erster Mensch den pudrigen Boden im „Meer der Stille“. Der Siebenjährige war wie elektrisiert. Seither ließ ihn die Faszination Weltraum nicht mehr los. Nebenjobs und Stipendien ermöglichten ihm das Studium der Geophysik und Meteorologie in Innsbruck. „Es war etwas, womit man mit dem Weltraum arbeiten kann“, sagte Aschbacher in einem Interview mit der Zeitschrift News. Nur aus dem Wunsch, Österreichs erster Astronaut zu werden, wurde nichts. Statt ihm flog bekanntlich Franz Viehböck ins All.
Dann ging es Schlag auf Schlag. Nach seiner Dissertation heuerte er bei der ESA an, lehrte in Asien Erdbeobachtungsmethoden, entwickelte in Italien das unter dem Namen Copernicus bekannte EU-Erdbeobachtungsprogramm und bekleidete als erster Österreicher einen Direktorenposten bei der ESA. Dazwischen veröffentlichte der Bergbauernsohn über 100 viel beachtete Publikationen. Im Dezember 2020 wurde er schließlich zum Generaldirektor der ESA ernannt. Als erster Österreicher trat er das hohe Amt am 30. Juni 2021 an. Blatt nimmt er sich keines vor den Mund. Als er auf Satellitenbildern die Zerstörung des Amazonas sah, sagte er laut Wochenzeitschrift „Die Zeit“: „Das ist die Lunge der Erde und wir holzen sie ab? Da verliert man doch den Glauben an die Vernunft. Es ist verbrecherisch, wie wir mit unserem Planeten umgehen.“
Karriere brummt wie ein Traktor
Nach holprigen Anfängen hob die Karriere der Bergbauerntochter von der Nostra im Lesachtal, Melissa Naschenweng (32), plötzlich ab wie eine Rakete. Wenn auch mittlerweile die Bühne, die zahlreichen Tourneen, Auftritte und Auszeichnungen süchtig machen, ist die fesche Lesachtalerin mit pinker Lederhose und gleichfarbiger Ziehharmonika am Boden geblieben. „Ich bin kein verwöhntes Kind und kann mich über Kleinigkeiten und Augenblicke freuen“, verrät sie Moderatorin Vera in einem der zahlreich gewordenen Fernsehinterviews. „Es macht mich immer noch glücklich, wenn ich bei meiner 95jährigen Oma sitzen, tratschen und Kaffeetrinken kann“, beschreibt sie die seltener gewordenen Glücksmomente am bäuerlichen Hof auf 1100 Metern Höhe, zwischen Kühen, Katzen, Hunden und Hühnern. Die Alpenromantik mündete in Liedern wie „I steh auf Bergbauernbuam“, „Traktorführerschein“, „Glück“, „Ned mit mir“, die authentisch von dem Leben auf der Alm erzählen, dass sie trotz der internationalen Erfolge nicht missen möchte. Dass sie ihre Heimat als Kraftquelle betrachtet, nimmt man ihr taxfrei ab. Wahrscheinlich erntet sie erstaunte Blicke, wenn sie erzählt, dass sie nach einem Konzert in den heimatlichen Stall geht und sich die Milch frisch von der Kuh holt. Denn Melken hat sie schon gelernt, bevor sie Ziehharmonika spielen konnte. Partygirl sei sie trotz des Rummels um ihre Person keines geworden. Wenn sie nicht Musikerin geworden wäre, hätte sie nichts dagegen gehabt, die Landwirtschaft ihrer Eltern in Liesing zu übernehmen. Doch vorerst hat die Karriere Vorrang und die brummt wie ein Traktor: „Für die Alben „Lederhosenrock“ und „Wirbelwind“ wurde Naschenweng mit Platin ausgezeichnet, den österreichischen Musikpreis Amadeus hat sie schon zum dritten Mal in die Lederhosen-Tasche gesteckt und im Jahr 2023 folgt ein Bühnen-Auftritt nach dem nächsten im deutschsprachigen Raum. Und dennoch folgt die Sängerin mit der rauchigen Stimme dem Ruf der Berge: „Auch jetzt fahre ich zwischen den Konzerten so oft es geht, nach Hause.“
Skier als Babysitter
Es scheint, dass Bergbauernkinder einen besonderen Ehrgeiz entwickeln und der Welt zeigen wollen, was sie draufhaben. Dadurch bringen sie es auch oft zu Höchstleistungen. Ein Beispiel dafür ist einer der besten Skifahrer der Welt, Franz Klammer (69). „Meine Familie hatte einen Bergbauernhof in Mooswald. Im Sommer gab es viel Arbeit aber im Winter viel Zeit zum Skifahren. Meine Mutter hat mich auf die Skier gestellt, damit ich Ruhe gebe. Das war ein guter Babysitter,“ erinnert er sich in einem Interview. Weil es in Mooswald keinen Lift gab, brettelte er unermüdlich die Hänge hinauf. Erst mit acht Jahren fuhr er das erste Mal mit dem Lift. Weil die Arbeit immer Vorrang hatte, stieg er erst mit 14 Jahren topfit in den Rennsport ein. Der Höhenflug begann mit 17, als er den Sprung vom Kärntner Landeskader in den Österreichischen Skiverband schaffte. Es war 1971 in Bad Kleinkirchheim, als er die erste Europacup-Abfahrt gewann. Die spätere Weltcuppiste des Ortes sollte daher auch nach ihm benannt werden. 1976 fuhr er in Innsbruck seinen größten Triumph ein. Mit einem Vorsprung von nur 33 Hundertstel-Sekunden auf Bernhard Russi wurde er Olympiasieger in der Abfahrt. „Ich hab gewusst, dass ich gewinne, oder es haut mich auf die Goschn“, meinte er später in seiner bodenständigen Art. Mit 25 Abfahrts- und 5 Weltcupsiegen wurde er der erfolgreichste Skifahrer in der Weltcupgeschichte in dieser Disziplin. Über sein spektakuläres Leben wurde kürzlich ein viel umjubelter Film gedreht (Chasing the line). Was den Skirennläufer aber besonders auszeichnet, ist seine authentische Art. Trotz seiner Erfolge hat er nie abgehoben. Noch 38 Jahre nach Ende der Karriere reicht sein Beliebtheitsgrad bis Amerika. Den finanziellen Verlockungen aus dem Ausland wollte Klammer jedoch nie nachgeben. „Ich bin in Kärnten aufgewachsen und mag die Mentalität der Menschen. Hier ist alles noch viel gemütlicher.“ Mittlerweile ist er Golfer, Biker und Schönwetter-Skifahrer und immer noch der „sympathische Franze“.